Dortmunder Prostituierte Dany K. hat ein Recht auf den Straßenstrich
Dortmund/Gelsenkirchen. Das wollte Dany K. nicht hinnehmen: Die Stadt Dortmund hatte der Prostituierten die Existenzgrundlage genommen. Denn das gesamte Stadtgebiet galt plötzlich als Sperrgebiet. Ihre Klage vor dem Verwaltungsgericht gewann Dany K. nun.
Am Ende hat Dany K. geweint, Tränen des puren Glücks: „Weil ich wieder arbeiten darf!“ Was der Richter naturgemäß unbewegter ausdrückte: Die Stadt Dortmund darf der Klägerin „nicht untersagen, der Straßenprostitution nachzugehen“.
Dany K. muss also nicht mehr auf einen Wanderparkplatz in Castrop-Rauxel ausweichen oder sich in Hinterhöfen verstecken, wie es viele ihrer Kolleginnen taten, seit Dortmund den Straßenstrich verbot. Fast zwei Jahre danach hat das Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen der 37-Jährigen nun recht gegeben: Ein stadtweiter Sperrbezirk „kann keinen Bestand haben“.
Das Signal des Gerichts, das der Klage einer Dortmunder Prostituierten Recht gab, ist eindeutig: Mit dem ersatzlosen Verbot des Strichs und der radikalen Ausweitung des Sperrbezirks auf das gesamte Stadtgebiet sind die Behörden übers Ziel hinausgeschossen.
Frau K. darf wieder auf die Straße, sie hat auch schon Ideen, auf welche, und sie hat das gefeiert. Mit den Frauen, die spontan klatschten am Donnerstag im nüchternen Saal III des Gerichts, im Sinne der „Frauen, für die ich das geschafft hab’! – Oh, mein Gott!“
Dortmunder Modell gescheitert
Falls die grau gewandeten Beamten von Stadt und Bezirksregierung Letzteres auch gedacht haben, ließen sie sich das jedenfalls nicht anmerken. Äußerlich regungslos saßen sie der 16. Kammer gegenüber, der Herr vom Ordnungsamt Schulter an Schulter mit der aufgeregten Prostituierten in ihrer braunen Steppjacke. Sie werden nun umdenken müssen, denn wo Dany K. und ihre Kolleginnen demnächst „tätig werden“ dürfen: „Es ist Ihre Sache, das festzulegen“, mahnten die Richter.
Als „diskriminierend“ hatte Dany K. empfunden, dass Dortmund im Mai 2011 mit dem Strich rund um die Ravensberger Straße gleich die ganze Stadt für ihr Gewerbe schloss. Zur „Gefahrenabwehr“ hatte der Rat damals so entschieden: Im genehmigten Gebiet in der Nordstadt waren immer mehr Prostituierte gezählt worden, viele aus den bulgarischen Elendsvierteln der Stadt Plovdiv.
Dortmund muss eine neue Sperrbezirks-Regelung finden. Eine Prostituierte hat erfolgreich gegen die Stadt und das Land NRW geklagt. Demnach darf eine Großstadt wie Dortmund nicht das gesamte Stadtgebiet zum Sperrbezirk erklären. Es müsse einen Bereich geben, in dem Straßenprostitution zumutbar wäre.
Der Strich franste aus in die angrenzenden Wohngebiete, Juristen sprechen von einer „abstrakten Gefahr für die Jugend und den öffentlichen Anstand“. Nach massiven Protesten aus der Bevölkerung machte die Stadt dem Treiben ein Ende; das mehrfach kopierte „Dortmunder Modell“ mit seinen sicherheitsüberwachten „Verrichtungsboxen“ sei „schlichtweg gescheitert“, erklärte gestern der Rechtsvertreter der Bezirksregierung.
Es wurde versäumt, Alternativstandorte zu prüfen
Was das Gericht nicht bestreitet. Würde der fragliche Sperrbezirk wieder geöffnet, „wäre mit einem Wiederaufleben alter Zustände zu rechnen“. Man habe aber versäumt, Alternativstandorte zu prüfen; es sei „nicht vertretbar, dass Straßenprostitution in keinem Bereich möglich ist“. So hatte auch Klägeranwalt Wilhelm Achelpöhler argumentiert: Es sei „nicht nachzuvollziehen, wieso nirgendwo“ in einer der flächengrößten Gemeinden Deutschlands Straßenprostitution tolerabel sein solle.
Das aber wollte diese nicht gelten lassen: Dortmund „verkraftet einen solchen Ansturm nicht, egal an welchem Standort“. Zumal: „Es gibt genügend Möglichkeiten, in diesem Bereich tätig zu werden“, rechnete eine Vertreterin des Ordnungsamts vor. „Jede der Frauen kann jederzeit in einem der zehn Clubs oder in Wohn-Appartements unterkommen.“
Katz und Maus mit der Polizei
Für Dany K. aber war das „keine Option“. Zu hoch die Kosten, zu groß die Angst, von Dritten drangsaliert zu werden. „Wo bleibt das Menschenrecht, wo die Würde der Frauen?“, fragte eine Kollegin am Rande des Prozesses. Man habe auf der Straße zuletzt „Katz und Maus mit der Polizei“ gespielt. „Prostitution ist nun einmal gefragt.“
Die umstrittene Schließung des Dortmunder Straßenstrichs im Frühjahr 2011 wird vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen verhandelt. Eine Dortmunder Prostituierte klagt gegen das Land NRW und die Stadt Dortmund, weil sie sich zu Unrecht kriminalisiert und in die Illegalität abgedrängt sieht.
Und sie lasse sich nicht verbieten, erklärte nach dem Urteil auch NRW-Frauenministerin Barbara Steffens (Grüne): „Wer ihr keinen Raum geben will, verdrängt sie in die Illegalität mit all ihren negativen Folgen.“ Prostitution sei ein Teil der Gesellschaft, „deshalb ist es auch Aufgabe der Politik, sie in einem angemessenen Rahmen zu ermöglichen“.
Aufgabe der Stadt Dortmund also. Sie möge sich „die Möglichkeiten genau ansehen“, forderte der Vorsitzende Richter Andreas Brüggemann. Einwände, die Jugend und der Anstand seien überall gefährdet, ließ er nicht gelten: „Straßenprostitution wird sich immer an öffentlichen Straßen abspielen, das ist nicht ausreichend für ein Verbot.“ Denkbar seien schließlich auch mehrere Standorte oder zeitliche Befristungen. Und Dany K. hat ja schon Stadtpläne vorgelegt – von Ausfallstraßen und, ja: Gewerbegebieten.
Quelle:http://www.derwesten.de/region/rhein_ruhr/dortmunder-prostituierte-dany-k-hat-ein-recht-auf-den-strassenstrich-id7753006.html
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